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WÜRFEL- / GLÜCKSSPIELE

Definition: Die Glückskomponente (etwa der Würfel beim Mensch ärgere Dich nicht oder auch die rollende Kugel beim Roulette) begründet Form und Ablauf des Spiels. Die Spieler fordern das Glück heraus, sie wägen das Risiko ab und versuchen durch Kalkulation, aber auch durch List, ihr Pech zu korrigieren. Es geht darum, als erster ein bestimmtes Ziel zu erreichen, gegnerische Figuren zu fangen, bestimmte Punkte auf dem Spielplan zuerst anzusteuern.

 

Diese Spielart gehört wohl zu den ältesten überhaupt. Das Spiel mit dem Zufall, das Unab­wägbare, das Nichtzuberechnende fasziniert den homo ludens schon seit Jahrhunderten. Un­gezählt sind die Zeugnisse für das Spiel mit dem Würfel, die Astragalfunde in römischen Kastellen und vor allem die Bilder von würfelnden Landsknechten und Soldaten.

Zu dieser Gattung gehören alle Spiele, in denen die unmittelbare Auseinandersetzung mit dem Zufall das zentrale und entscheidende Spielelement bildet. Zuweilen haben auch diese Spiele ein Szenario, die Einkleidung ist hier aber - wie etwa bei den Gänse- und Leiterspielen - nur Oberfläche, nur graphisches Dekor und tritt im Spiel absolut zurück. Es sind im wesentlichen abstrakte Spiele.

Somit gehört nicht jedes Spiel, das mit einem Würfel ausgestattet ist, automatisch zu dieser Gattung. So finden wir auch bei MONOPOLY oder RISIKO Würfel, entscheidend für den Spielreiz ist bei ihnen aber die Einkleidung als Wirtschafts- bzw. Kriegsspiel, der Würfel ist also nur ein Zubehör am Rande.

 


WÜRFEL- / GLÜCKSSPIELE

Untergattungen:
1.1       Reine Würfelspiele (Kniffel)
1.2       Start-Ziel-Spiele (Malefiz)
1.3       Such- und Fangspiele (Fang 
            den Hut)
1.4       Taktische Würfelspiele (Can't
            stop)
[1.5      Glücksspiele]

 

 

1.1 Reine Würfelspiele

Einfache, archaische Würfelspiele kommen völlig ohne Brett oder Spielplan aus. Es gilt, den Wurf des Mitspielers zu überbieten oder auf das Eintreffen bestimmter Zahlenkombinationen zu wetten. Die pure Lust an der Herausforderung des Zufalls (früher einmal der Schicksalsgötter!) bestimmen den Reiz dieser Spiele.

In der heutigen Zeit hat sich vor allem das Spiel KNIFFEL als ein Vertreter dieser Kategorie zu einem weitverbreiteten Klassiker entwickelt. Aber auch die Casino-Würfelspiele CRAPS oder CHICAGO zählen zu dieser Untergattung.

 

 

 

1.2 Start-Ziel-Spiele

Über die reinen Würfelspiele hinaus entwickelten sich schon sehr früh einfache Start-Ziel-Spiele mit einem Spielfeld. Man könnte auch von Lauf- oder Wettlaufspielen sprechen. Über 5000 Jahre alt sind die Spuren des altägyptischen Senetspiels, das als eine der Ursprünge dieser Spielart angesehen wird und noch deutlich die Simulation einer Rennbahn zeigt. Stellvertretend für die Läufer werden die Figuren die Bahn entlang gezogen, der Würfel entscheidet über Geschwindigkeit, über Sieg und Niederlage.

Ebenfalls auf antike Vorbilder ist das klassische GänseSpiel zurückzuführen, das seit dem 17. Jahrhundert unverändert in ganz Europa zu finden ist. Die Form des Spirallauf-Spiels mit bestimmten Ereignisfeldern sollte sehr schnell für alle möglichen Spielhintergründe (Sport, Reise u.a.m.) übernommen werden. Bis in die 70er Jahre unseres Jahrhunderts hinein stellte diese Spielform den größten Anteil bei den Neuerscheinungen, und auch heute noch ist sie gerade im Kinderspielbereich stark vertreten.

Aus Indien stammt der Vorläufer von MENSCH ÄRGERE DICH NICHT, das PACHISI. Wie viele verschiedene Formen dieses Spiels in Deutschland erschienen sind, ist nicht bekannt. Aber immer wieder werden Spiele neu auf den Markt gebracht, denen dieser alte Spielgedanke zugrunde liegt.

Neu ist der Gedanke, statt Ruhebänkchen bewegliche Hindernissteine in das Start-Ziel-Spiel einzuführen. MALEFIZ setzte damit für diese Untergattung neue Akzente und zeigte, wie das Grundmuster noch immer fruchtbar für weitere Entwicklungen ist.

 

 

 

 

 

1.3 Such- und Fangspiele

Wenn man einmal annimmt, dass der simple sportliche Wettlauf Grundlage der Start-Ziel-Spiele ist, so könnte man für diese relativ junge Untergruppe das Fang- und Versteckspiel als Ausgangs- und Bezugspunkt annehmen und gewinnt damit überdies eine gewisse Hilfe für die Zuordnungsarbeit. Der Klassiker dieser Idee und eines der ersten Spiele mit diesem Ziel ist wohl FANG DEN HUT (Ravensburg, 1927), das noch heute viel gespielt wird und zum Grundbestand von Spielesammlungen zu rechnen ist.

Nicht ein bestimmtes Zielfeld muß jetzt erreicht werden, es gilt vielmehr, Figuren oder Steine auf dem Spielfeld zu fangen oder aufzuspüren, lohnende Punktefelder als Erster zu erreichen und abzuernten.

Der ganz andersartige  Spielansatz gibt die Möglichkeit, neue Spielfelder frei zu gestalten, sich von überkommenen Spielplangestaltungen wie Leiteraufbau und Gänsespiel-Spirale zu lösen. Bis in die 60er Jahre hinein war dieser Ansatz sehr beliebt und taucht auch heute noch zuweilen auf.

 

 

1.4 Taktische Würfelspiele

Die relativ schlichte Struktur der bisherigen Würfelspiele genügt den Spielenden unserer Tage nicht mehr. Sie verlangen mehr Raffinement im Spielaufbau. Die Spieleautoren versuchen daher in neuester Zeit, in die Spiele dieser nach wie vor beliebten Gattung ein stärkeres taktisches Element einzubauen. So entstanden komplexere Würfelspiele, in die zuweilen Stilistika anderer Spielformen eingemischt werden. Dennoch lassen sich auch diese Spiele durch das spielreizbestimmende Zufallselement klar in die Gattung „Würfel- und Glücksspiele“ einordnen.

Ein typisches Beispiel ist CAN'T STOP: zwar steuern die Spieler auch hier Ziele an, doch jeder Spieler wählt unter Abwägung des unterschiedlichen Risikos die drei Ziele, die er zum Gewinn des Spiels erreichen muß, selbst aus. Auch darf er würfeln, so lange er will und noch setzen kann. Hört er nicht rechtzeitig auf, verliert er alle neugewonnenen Positionen.

Zu einem Zeitpunkt, wo der Zufall längst sein undurchsichtiges Faszinosum verloren hat, erhält das gute alte Würfelspiel dadurch eine tiefere taktische Dimension und eine komplexere Spielfläche.

 

 

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