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6. Geschicklichkeits- und Aktionsspiele

 

Definition: Es gilt bei diesen Spielen, die Tücke der Objekte (Kugeln, Kegel, Gewichte usw.) zu meistern. In der Regel entscheidet die schnelle (oder auch ruhige) Hand, oft müssen aber auch das „Köpfchen“ und die kühle Überlegung hinzukommen. Bei den Aktionsspielen liegt der Spielreiz in raffiniert einfachen, technisch-mechanischen Abläufen, die sozusagen vorprogrammiert werden müssen. Die Talfahrt einer Kugel über mehrere Hindernisse hinweg, Spannungsbögen unter zusammengepreßten Spielsteinen, Veränderungen im Gleichgewicht auf einer beweglichen Scheibe gilt es vorauszuberechnen.

Legt man den im Englischen geläufigen Begriff der „Board and Table Games“ zugrunde, so verlassen wir mit der Gattung der Geschicklichkeits- und Aktionsspiele bereits den Bereich der Brettspiele und nähern uns dem der Tischspiele allgemein. Es geht hier in erster Linie um körperliche Geschicklichkeit, die sich aber nicht auf freiem (Sport-)Feld bewähren muß, sondern auf dem sehr viel engeren Terrain einer Tischplatte oder eines Zimmerfußbodens. Dabei ist weniger die Kraft als vielmehr die Schnelligkeit oder auch der kluge Einsatz manueller und geistiger Fähigkeiten gefragt.

Es geht hier im wesentlichen immer um technisch-mechanische Abläufe. Sie gilt es zu beherrschen und in kontrollierte Ordnungen zu bringen. Die technisch-industrielle Revolution der letzten Jahrhunderte bringt es mit sich, dass die Spiel-Mechanik hier immer raffinierter und komplexer wird. Das läßt sich schon an den Materialien ablesen, die im Laufe der Geschichte dieser Spiele eingesetzt wurden: das reicht vom Einsatz einfacher Steinchen und Tierknöcheln, über Kreisel und Murmeln bis hin zu den schnellen Lichtsignalen auf Bildschirmspielen unserer Tage. Bei näherem Hinsehen entpuppen sich die überwiegende Mehrzahl aller elektronischen Spiele als Geschicklichkeits- und Reaktionsspiele.

Geschicklichkeits- und Aktionsspiele sind entweder als abstrakte Spiele gestaltet, die im wesentlichen ihren Spielreiz von dem eingesetzten Material her nehmen, oder aber als Simulationen von alltäglichen Vorgängen des Arbeits- und Freizeitlebens. Dabei erfreuten sich Simulationen beinahe aller Sportarten besonderer Beliebtheit.

Die Tatsache, das in dieser Kategorie sehr viele Spiele zu finden sind, die heute nur noch von Kindern gespielt werden, sollte nicht zu dem Schluß führen, dass es sich hier im Schwerpunkt um Kinderspiele handelt. Geschicklichkeits- und Aktionsspiele erfreuten sich, wie antike Vasenmalereien ausweisen, von alters her auch bei Erwachsenen, Göttern wie Sterblichen, größter Beliebtheit.

 

 

Untergattungen der Geschicklichkeits- und Aktionsspiele:

6.1  Geschicklichkeitsspiele (Mikado)
6.2  Aktionsspiele (Avalanche)
6.3  Reaktionsspiele (Spitz paß auf)
6.4  Sportspiele (Tipp-Kick)

 

6.1 Geschicklichkeitsspiele

Das KNÖCHELSPIEL ist eines der ältesten Spiele dieser Unterkategorie und heute noch im Mittelmeerraum und Afrika, aber auch in Rußland und auf den polynesischen Inseln verbreitet. Hier müssen immer mehr „astragoloi“, Fußknöchel der Hammel, oder auch Steine und Holzklötzchen in die Luft geworfen und mit dem Handrücken wieder aufgefangen werden.

Bei dem sehr viel jüngeren MIKADO, das sich heute noch in beinahe jeder Spiele-Sammlung findet, zählt die ruhige Hand und ein überlegtes Vorgehen im Spiel. Andere klassische Vertreter dieser Gattung wie das FLOHHÜPFEN oder das HÜTCHENSPIEL haben inzwischen viel von ihrer Beliebtheit verloren, während das ANGELSPIEL nach wie vor in unzähligen Ausführungen angeboten wird.

Neue Erfolge im Bereich der Geschicklichkeitsspiele erzielten die Stapel-Spiele JENGA und BAUSACK. Gerade der BAUSACK öffnet dieses Genre wieder stärker einer erwachsenen Zielgruppe, da er dem Geschicklichkeitsmoment starke taktische Elemente hinzufügt.

 

6.2 Aktionsspiele

Die Aktionsspiele stellen eine Fortentwicklung der Geschicklichkeitsspiele und damit eine jüngere Unterkategorie dieser Spielart dar. Hier tritt zu den Materialien wie Kugeln und Kreisel usw. eine gestaltete Spielfläche hinzu, die mehr oder weniger raffinierte Spielabläufe vorstrukturiert, die es zu berechnen und zu steuern gilt.

Bei AVALANCHE, heute unter dem Titel SKILL wieder aufgelegt, ist das etwa eine schräg gestellte Wand. Das Herunterlaufen der Kugeln an dieser Wand wird durch bewegliche Fallen gesteuert, die durch die herabfallenden Kugeln entweder geöffnet oder geschlossen werden können. Bei SCREE stehen runde Scheiben verschiedenen Durchmessers in einem Rahmen unter Federdruck. Es entstehen Spannungsbögen, die beim Herausnehmen der Scheiben analysiert werden müssen. Der Spielreiz liegt also in solchen raffiniert einfachen, technischen Abläufen, auf die der Spieler, hat er sie einmal in Gang gesetzt, keinen Einfluß mehr hat: jetzt erweist es sich, ob seine Planung greift oder nicht.

In den USA und Japan wurde dieses Genre durch die sogenannten Nonsens-Spiele erweitert, bei denen durch technische Abläufe groteske Kettenreaktionen ausgelöst werden, ähnlich wie beim Anstoßen aufgestellter Domino-Steine. Ältere Titel wie PLITSCH PLATSCH weisen dabei wesentlich mehr Spielreiz auf als neueste Gimmick-Produktionen, bei denen Namen wie RAPPELPOTT oder KÄPT'N KLAPPERMANN oft für sich sprechen.

Obwohl Aktionsspiele einen hohen Spielreiz aufweisen, gibt es aufgrund der schwierigen Konstruktion solcher Spiele nur relativ wenig gute Angebote auf dem Markt.

 

6.3 Reaktionsspiele

Schnelligkeit ist keine Hexerei. Bei Spielen dieser Kategorie gewinnt der Spieler mit dem guten Überblick und dem schnellen Reaktionsvermögen. Der Klassiker, immer noch beliebt und seit Jahren in zahllosen Varianten erschienen, ist SPITZ PASS' AUF. Ein Spieler versucht die Figuren der anderen mit einem Würfelbecher zu fangen. Diese stehen dicht beisammen und können von ihren Spielern an Schnüren zurückgezogen werden. Würfelt der Fänger eine „6“, stülpt er blitzschnell seinen Becher über die Figuren. Nur wer rechtzeitig wegzieht, entkommt.

Auch Spielkarten werden in solchen Reaktionsspielen eingesetzt. Das alte SCHNIPP-SCHNAPP wird auch heute noch in immer neuen Varianten aufgelegt. Gleichzeitig werden Karten aufgedeckt. Erscheinen zwei gleiche, erhält derjenige den Kartenstapel zur Belohnung, der zuerst „Schnapp“ ruft.

 

6.4 Sportspiele

Schon von alters her wurden beinahe alle Sportarten auf den Spieltisch übertragen. Sie gaben schon sehr früh die Vorlagen und den Hintergrund für Würfel-, Denk- und Simulationsspiele ab. Noch naheliegender war aber die Übertragung in die Gattung der Geschicklichkeits- und Aktionsspiele.

Interessant ist dabei, dass solche Adaptionen umso erfolgreicher sind, wenn es ihnen gelingt, auf dem Weg der Abstraktion und einer gewissen Verfremdung der Abläufe ein eigenständiges, doch deutlich angelehntes Spielschema zu entwickeln. TIPP-KICK mit seiner mehr als 50-jährigen Erfolgsgeschichte ist ein typisches Beispiel dafür.

 

 

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