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3. DENKSPIELE

  
 

Definition: Bei Denkspielen geht es stets um einen „Wettkampf der Hirne“, das Glück ist weitgehend ausgeschaltet. Im Idealfall haben beide Spieler die gleiche Ausgangslage und damit die gleichen Chancen. Bei strategischen Spielen dieses Genres geht es um die „Vernichtung des Gegners“ auf dem Spielbrett, bei taktisch-topologischen Spielen um die schnellere Bewegung auf ein Ziel hin. Auch dort, wo ein Code zu lösen oder ein gutes Gedächtnis unter Beweis zu stellen ist, sucht man den Würfel, immer ein Element des unberechenbaren Zufalls, meist vergeblich.

 

Die Denkspiele gehören zu den ältesten Spielegattungen, die der menschliche Geist im Lauf der Jahrtausende hervorgebracht hat. Sieht man in den Würfelwettlaufspielen die Übertragung sportlicher Wettrennen auf das Spielbrett und zugleich die Herausforderung des Zufalls in all seinen Dimensionen, so stand am Anfang der Denkspiele die geistige Herausforderung strategischer Planung im Krieg und damit zugleich die Herausforderung des „gegnerischen“ Verstandes auf dem weiten Feld von Strategie und Taktik.

Insbesondere klassische Denkspiele fallen durch einen hohen Grad von Abstraktion auf. Sie bestehen nur aus Spielplan und Spielfiguren. Spielkarten und Würfel etwa, die den Zufall ins Spiel bringen und die klare Grundstruktur nur stören würden, sucht man hier vergebens. Bei gleichen Startchancen und gleichen topologischen Gegebenheiten auf dem Brett soll der gewinnen, der bei dem Wettstreit der Hirne in der Lage ist, Spielsituationen besser zu überschauen und einzuschätzen, unter Einbeziehung und Vorausahnen gegnerischer Strategien weiter in die Tiefe zu planen, oder der - bei neueren Entwicklungen dieses Genres - das bessere Kombinationsvermögen oder das bessere Gedächtnis hat.

Da sich diese (abstrakten) Denkspiele einmal größter Beliebtheit erfreuten, ist es nicht verwunderlich, dass wir in dieser Kategorie geradezu einen Tummelplatz klassischer Spiele vorfinden. Klassiker wie SCHACH, DAME, MÜHLE und HALMA, um nur einige zu nennen, sind Spiele, die wohl jeder Spielinteressierte schon einmal gespielt hat und die noch heute in keiner Spielesammlung fehlen dürfen.

 

 

Untergattungen der Denkspiele:

3.1     Strategische Denkspiele (Schach)
3.2     Taktisch-topologische Denkspiele (Halma)
3.3     Kombinations- und Dekodierungsspiele (Mastermind)
3.4     Gedächtnisspiele (Memory)
[3.5    Solitärspiele]

 

3.1 Strategische Denkspiele

Bei den Spielen dieser Untergattung ist der militärische Hintergrund, die Nähe zu Krieg und Schlachtgetümmel noch deutlich auszumachen. Der Begriff „strategisch“ ist durchaus wörtlich zu nehmen: es geht um nichts anderes als einen spielerischen Kriegszug mit dem Ziel, den Gegenspieler auf dem Spielbrett vernichtend zu schlagen, ihn zu besiegen. Dazu müssen die Hauptfigur, auch in neueren Spielen oft genug noch König genannt, oder aber eine bestimmte Anzahl von Steinen geschlagen bzw. bewegungsunfähig gemacht werden.

SCHACH ist hierzulande sicherlich das bekannteste strategische Denkspiel, in seiner heutigen Ausprägung allerdings auch eine der jüngeren Spielform dieser Untergattung. Im Lauf seiner Entwicklung aus dem Spiel „Chaturanga“, das man in Indien seit dem 5.Jahrhundert nachweisen kann, hat es viele Wandlungen durchlaufen und bringt auch heute noch immer neue Varianten (variable Spielflächen, Versionen für drei und für vier Spieler, Science-Fiction-Dimension u.a.m.) hervor.

Eine interessante Variante sind die Belagerungsspiele, auch als TABLUT, KUNGSER oder FESTUNGSSPIEL bekannt. Hier starten die Spieler auf den ersten Blick nicht unter dem Ideal der gleichen Vorraussetzungen. Der Angreifer ist zahlenmäßig überlegen, der Verteidiger der „Festung“ hat dafür allerdings die stärkeren Figuren.

Älter aber als alle bisher genannten Spiele und wohl weltweit häufiger gespielt ist das chinesische GO, das sich durch einen weitaus höheren Abstraktionsgrad und eine ungleich höhere Varianzbreite auszeichnet. Steine werden gesetzt und im Spiel nicht mehr verrückt, allenfalls gefangen genommen. Es geht - darin unterscheidet es sich von anderen Spielen dieses Genres - im wesentlichen um Terraingewinn auf dem Spielbrett.

Als interessanteste Varianten der jüngeren Spielgeschichte sind im Rahmen dieser Untergattung „Strategische Denkspiele“ das REVERSI, aber auch FOCUS und ABALONE zu nennen.

 

 

3.2 Taktisch-topologische Denkspiele

Bewegung im Raum, das Erreichen festgelegter Ziele oder bestimmter Zielstellungen kennzeichnen die Spiele dieser Untergattung. Es werden in der Regel keine Figuren geschlagen, es gewinnt vielmehr, wer seine Figuren auf die ökonomischste, gezielteste Art als erster über das Spielfeld bewegt und/oder auf den Zielfeldern bzw. in bestimmten Zielkonstellationen unterbringt.

Das bekannteste Spiel dieser Kategorie ist HALMA, das 1883 von dem englischen Chirurgen George Howard Monks erfunden wurde. In Deutschland wurde es vor allem in der Form des etwas jüngeren STERNHALMA populär. Eine Halma-Variante mit dem Titel SALTA erfreute sich um die Jahrhundertwende höchster Beliebtheit. Das besondere Zugschema und die Zugweite machen den Reiz der zahlreichen Halma-Varianten aus.

Die sogenannte Arabische Mühle, hierzulande auch als Kleine Mühle oder unter dem englischen Titel Tic-tac-toe bekannt, gehört natürlich auch in diese Untergattung. Ob drei, vier oder fünf in einer Reihe, auf dem Brett oder dreidimensional, ob der Name nun VIER GEWINNT, SOGO oder RAUMMÜHLE lautet: letztendlich sind alle diese vom chinesischen GOBANG abgeleiteten Spiele in ihrer Grundidee gleich und der Gattung dieser taktisch-topologischen Denkspiele zuzuordnen, während das eigentliche Mühle-Spiel wegen der Schlagmöglichkeiten und dem Ziel der Dezimierung gegnerischer Spielfiguren den strategischen Denkspielen zugeordnet wird.

 

3.3 Kombinations- und Dekodierungsspiele

Als Gesellschaftsspiele und als Schreibspiele erfreuten sie sich schon geraume Zeit großer Beliebtheit. Aber erst in der Nachkriegszeit fanden sie Eingang in die Brett- und Tischspiele. Durch deduktives Denken, Verknüpfen von Informationen und das Ausschließen von Möglichkeiten soll die richtige Lösung eines Problems gefunden werden.

Bei EGGHEAD, 1960 von Robert Abbott in New York erfunden, sieht man die Zahlen aller anderen Mitspieler. Es gilt, durch Fragen die Zahlen zu erschließen, die man selbst auf den Karten seines eigenen Stirnbands hat.

Aus einem alten Schreibspiel entwickelte Marco Meirowitz 1973 den Neoklassiker MASTER MIND, hierzulande auch als SUPERHIRN bekannt: ein verdeckter Farbcode muß über Probecodes in möglichst kurzen Schritten entschlüsselt werden.

 

 

3.4 Gedächtnisspiele

Spiele rund um das Gedächtnis erfreuten sich schon immer großer Beliebtheit. Als Kim-Spiele hat sie Rudyard Kipling in seinem gleichnamigen Dschungelroman berühmt gemacht. Da Kinder in der Regel das bessere Kurzzeit- und das bessere visuelle Gedächtnis besitzen, haben sie bei Spielen dieser Genres zumindest gute, wenn nicht sogar bessere Spielchancen.

Die Grundidee für eines der beliebtesten und erfolgreichsten Gedächtnisspiele, für das 1959 in Ravensburg erschienene MEMORY, geht auf alte Vorlagen zurück. Das japanische „Kai-awase“ aus dem 16.Jahrhundert gilt als bislang älteste bekannte Version. Aber erst das Ravensburger Spiel wurde geradezu zu einem Synonym für eine ganze Gattung von Spielen, die man landläufig auch als MEMORY-Spiele bezeichnet.

Gerade im Kinderspielbereich erscheinen jedes Jahr neue Variationen. DAS GEISTERSCHLOSS, 1990 mit dem „Sonderpreis Kinderspiel“ ausgezeichnet, aber auch SCHMUGGLER AN BORD sind jüngste Vertreter dieser Untergattung.

 

[3.5 Solitärspiele]

Diese Untergattung der Denkspiele stellt einen Grenzbereich dar. Zwar handelt es sich hier auch um ein prozeßhaftes, sich aus Spielmaterial (und zuweilen auch aus einer echten Spielregel) entwickelndes Spiel, aber es ist - der Name sagt es schon - ein Spiel für eine Person und nicht für die gewohnte Spielgemeinschaft von zwei und mehr Spielern. Die Abgrenzung zum Spielzeug verläuft bei manchen Ausprägungen dieses Genres durchaus fließend.

Das bekannteste Grundmuster ist SOLITAIRE, auch Einsiedlerspiel oder Nonnenspiel genannt. Das dafür verwendete kreuzförmige Spielfeld ähnelt sehr dem Belagerungsspiel. Aus verschiedenen Zeugnissen lassen sich Frankreich als Ursprungsland und das 17.Jahrhundert als Ursprungszeit erschliessen. Um die Jahrhundertwende war es ein überaus beliebter Zeitvertreib.

Im Laufe der Zeit haben sich aus diesem Spiel vielfältige Formen, sternförmige und quadratische Spielfelder entwickelt. Der Spielablauf ist allerdings weitgehend gleichgeblieben: durch Überspringen muß das Brett abgeräumt werden.

Daneben gibt es unendlich viele Solitärspiele, die sich besonders in angelsächsischen Ländern unter den Begriffen „brainteasers“ oder „puzzles“ enormer Beliebtheit erfreuen. Raffiniert zersägte und zusammengefügte Würfel oder Pyramiden gilt es zusammenzusetzen, Ringe und Schnüre voneinander zu lösen und anderes mehr. Eine wahre Flut von Imitationen und Varianten löste der Erfolg des 1977 von dem Ungarn Ernö Rubik erfundenen Drehwürfels, RUBIK'S CUBE genannt, aus.

 

 

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